Leinwand ohne Gesicht

Am Stand mit Gesa Schöning, Kirschbuch Verlag
Leinwand ohne Gesicht, erste Ausgabe 2022

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Leinwand ohne Gesicht (2022), mit Fuchs

Interview

GESA SCHÖNING (Verlegerin Kirschbuch Verlag) mit DORIS WIESENBACH

Wo und wann spielt dein Roman „Leinwand ohne Gesicht“?

„Leinwand ohne Gesicht“ spielt in einer Privatklinik für gedächtnislose Menschen in Berlin-Heiligensee, direkt am See, neben dem FKK-Club der „Saunafreunde“. Wir befinden uns in der Gegenwart. Die junge Lea hat seit zwei Jahren ihr Leben vergessen.

Und nicht nur das: Lea kann weder riechen noch schmecken. Außerdem fühlt sie nichts. Wie kommt sie damit klar?

Lea zählt die Buchstaben von Worten, die Gefühle benennen. Sie denkt Gefühle. Und sie hat einen Therapiebegleit-Fuchs. Er hat eine eigene Perspektive. Er ist nicht niedlich.

Normalerweise werden Hunde zu Therapiebegleitern ausgebildet. Warum hat Lea einen Fuchs?

Ich mag Füchse. Sie sind schlau. Sie sind witzig. Es ist eine spannende Perspektive. Ich wollte mich in einen Fuchs hineindenken, hineinfühlen. Denn letztendlich sind auch wir Menschen Raubtiere. Schließ mal ein paar Leute ein Wochenende lang zusammen in einen Aufzug eines Hochhauses und schau, was passiert. Unter dem dünnen Mantel unserer Zivilisation lauert der archaische Instinkt.

Am Anfang des Romans tappt Lea völlig im Dunkeln. Bleibt das so?

Nein. Versprochen!

Aber erinnern ist nicht immer schön! Unter jeder Amnesie versteckt sich ein Trauma. Was bedeutet das für Lea?

Sie hatte einen traumatischen Abort. In „Leinwand ohne Gesicht“ geht es um Abtreibung.

Wieso schreibst du über dieses Thema?

Auslöser war meine Mutter. Sie hatte 1947 einen Abort. Darüber hinaus ist es ein archaisches Thema. Es geht um Selbstbestimmung. Jede Frau sollte ohne Einmischung vom Staat entscheiden dürfen, ob sie ein Kind haben will oder nicht. Bedauerlicherweise spielt Abtreibung in der deutschsprachlichen Literatur lediglich eine marginale Rolle. Bei meiner Recherche habe ich kaum etwas gefunden.

Du schreibst gern über Tabuthemen. Braucht das Mut?

Nein, es ist mir ein profundes Bedürfnis. Unfassbar, was in unserer ach so toleranten Gesellschaft unter den Teppich gekehrt wird! Das zerre ich mit großem Vergnügen raus, lege es für alle sichtbar auf den Tisch, beleuchte und seziere es.

Vielen Dank für das spannende Interview und deinen großartigen Roman!